Tunesien - Schafskopf-Skelette

"Ab zum Kamelreiten!", freut sich Lilly über das Angebot im Hotelfoyer des tunesischen Hotels und muss ein Stück durch den Ort gehen, bis zur Stelle, wo der Kamelführer mit seiner Karawane hinkommt, um interessierte Touristen abzuholen. Sie fixiert diese Stelle, als ihr plötzlich ein abgehackter Rinderschädel, der vor einem Laden überm Gehsteig baumelt ans Gesicht patscht. "Baahh!", ihr Sohn lacht, als er sie mit blutverschmiertem Dekolltee sieht.

 

Lilly sieht dem Vieh oder was noch davon übrig ist, direkt in die Augen mit den langen Wimpern an den offenen Lidern, wie es da am spitzen Haken aufgespießt baumelt, während das Blut aus dem abgetrennten Hals auf die staubigen Steine tropft. "Ein Metzger.", lächelt sie den Mann im Laden an, der sie witzig findet. Sie hetzen weiter zu den Kamelen.

 

Ein Tunesier ohne Hemd auf weißem Pferd reitet vor, auf dem langgezogenen Bergweg in Geröll und Steinen, so nah durch die Büsche, dass Sam Rosmarin oder Thymian pflücken kann - jedenfalls riecht das Ästchen gut und ihr Kamel nascht im Vorbeigehen. Diese Tiere trotten wie von alleine ihren Weg auf die Anhöhe, von der aus man über die Stadtdächer Tunis, die Medina und das Mittelmeer sieht.

 

Mitten in der steinigen Wüstenlandschaft gibt es hier oben einen kleinen Hof mit heller Steinmauer herum, wo die Tiere angebunden werden, sich bequem niederlassen und ruhen, nachdem die Touristen von ihren Rücken gestiegen sind. Lilly schlüpft mit Sam in die angebotenen Kleidungsstücke und wickelt sich Tücher und Turban um.

 

Die dicken, aber freundlichen Damen des Hauses kochen über einem kleinen Feuer Tee, der sehr kräftig schmeckt, bieten Lilly Hennabemalung der Hände an, während der Junge in Scheichs-Tracht und Turban auf den Affenbrotbaum in der Mitte des mit orientalischen Teppichen ausgelegten Hofes klettert und die länglichen Früchte sammelt.

 

Beim zweiten Trip wird es schon persönlicher: Lilly und Sam dürfen vorne weg reiten und erfahren, das helle, große Kamel heißt Claudia. "Like Cloodia Schiffer.", erklärt ihnen der Besitzer. Beim dritten Mal bekommt Sam sein eigenes, kleineres, karamellfarbenes Kamel und bildet das Schlusslicht. Die Aussicht ist immer wieder verzaubernd. Lilly hinterlässt auf einem großen Stein ihre Initialen eingeritzt - hier an der Nordküste Afrikas - fall sie wieder zurückkommt. Beim Zurückreiten, versprechen sie, beim nächsten Aufenthalt Handys mitzubringen für den Kamelführer.

 

Am Heimweg nehmen sie zu Fuß eine Abkürzung quer über den Hang und finden im Geröll mehrere abgenagte Schafskopf-Skelette und Knochen - manches muss mit. Sam legt die Fundstücke auf den Tisch am Balkon, trägt diese Knochen aber, als es dunkel wird und Lilly Gruselgeschichten erzählt von Schamanen, die sich Knochen von Toten umhängen oder zermahlen und beschwören, um Verstorbene wieder auferstehen zu lassen, so schnell er kann in den Vorgarten des Hotels. Diese Nacht bleiben die Balkontüren zu, obwohl es sehr warm ist im Zimmer.