ab nach skagen

 

 

Er leuchtet mit seiner Taschenlampe durch das leicht geöffnete Fahrerfenster ins Auto. "Gehört der Wagen ihnen?", fragt er streng. "Ja. Wir wollen uns Skagen anschauen.", will sie gleichzeitig seine Frage ordentlich beantworten, nicht zu viel reden, aber gleich die nächste Antwort mit raus ins Dunkel schicken, zu diesem wirklich sehr attraktiven, uniformierten, jungen, dänischen Mann, der ihr mit seiner sehr, sehr anregenden Aussprache tatsächlich mit seiner Fahrzeug-Kontrolle die 500 Kilometer lange Anfahrt versüßt.

 

 

Lilly vermeidet weiteren Augenkontakt, da sie sein Gesicht derart ansprechend findet, dass es ihr direkt die Wangen rötet, sie aber auch eigentlich dann wieder weiterfahren möchte, da die Situation hier mitten in der Nacht mit ihren beiden Kindern im Auto und dem Polizeifahrzeug mit der offenen Autotür hinter ihr, welches ihnen gerade eben aus einer Seitenstraße gefolgt ist und sie nun mit den hellen Scheinwerfern, die sie über den Rückspiegel blenden, in dem wahrscheinlich noch ein Mann sitzt, eher überraschend kam und ein bisschen Krimi-Faktor beinhalten könnte.

 

 

Sie stehen rechts an einer einsamen, richtig langen und einzigen Fernstraße, links und rechts bewaldet, stockdunkel und mit Unkenntnis über die genau erlaubte Geschwindigkeit, weil es schon sehr spät ist und eine lange Anfahrt hinter ihr liegt, wo sie die letzte Stunde durchwegs mit zusammengekniffenen Augen gefahren ist, um zwischen den irritierenden Regentropfen noch die asphaltierte Straße zu erkennen. An ein Straßenschild kann Lilly auf dieser lang gezogenen Strecke jetzt überhaupt nicht mehr erinnern und hofft, sie wurde nicht wegen zehn Km/h zu viel aufgehalten.

 

 

Er sieht  den Jungen auf der Rückbank schlafen, der durch die kalte Luft, die durch das geöffnete Fenster ins Auto zieht, an der Nase gekitzelt wird und gibt sich damit zufrieden, nur noch kurz Führerschein und Fahrzeugpapiere zu prüfen, lässt davon ab, rund ums Auto zu gehen, oder sie aussteigen zu lassen. Als er sich nett, aber korrekt verabschiedet, schmunzelt ihre Tochter am Beifahrersitz zuerst leise, bevor sie nach 100 Metern so richtig loskichert.

 

 

"Was war das denn? Pffff. Die Anfahrt hat sich jedenfalls jetzt schon gelohnt. Können wir eigentlich wieder zurückfahren, oder?", atmet Lilly nach der filmreifen Krimi-Chippendale-Szene durch. Als die Scheinwerfer aus dem Blickfeld verschwunden sind, lacht sie auch laut auf und hält sich den Bauch.

 

Seit ungefähr sechs Stunden hat sie die Augenmuskulatur nicht mehr entspannt und freut sich wie ein Kind vor der Weihnachtsbescherung, als sie endlich das Hinweisschild "Skagen" sieht.

 

 

"Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir hier sind.", sagt sie zu ihrer Tochter, die gerade zu Besuch im Norden ist. Es gibt sie noch, diese wunderbaren Momente, in denen man etwas Neues entdeckt, sich Wünsche erfüllt, die immer auf die lange Bank geschoben werden. Es sieht hier ganz anders aussieht, als erwartet,...