BOLLYWOOD AM WOLKENKRATZER

 

 

Sie schlendern durch einen der unzähligen Kleiderläden mit Brautkleidern, Ballkleidern, Cocktailkleidern mit Schleier, Stola, Schals in Weiß und feinster China-Seide, bestickt mit unzähligen Perlen, Glitzerapplikationen, Schleppen, Täschchen oder vielen, lebendigen Farben, die in Zusammenstellung und Intensität mit Gold- und Silber-Borten, prachtvollen Verzierungen, Perlen- und Straß-Stickereien harmonieren.

 

 

Lilly ist im indischen Traumland perfekter Schneiderskunst angelangt. Die Preise sind der Pracht der Roben angemessen - nicht günstig, wie es vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Sie will sich traditionell für eine indische Hochzeit kleiden, die am Terminplan steht.

 

 

Ihr Begleiter ist von jedem der Stoff-Träume an ihrem schmalen Körper begeistert, hält sich britisch höflich mit den Kommentaren. "Müsste ich Diplomatie einen Namen geben, hieße die Andre.". Es bleiben zwei Traumkleider: eines in noblem Creme und in einem Stück, das andere in kräftigem Rot-Blau-Hellgrau-Ocker und als Dreiteiler, den sie dann einzeln öfter anders kombiniert tragen kann.

 

 

"Ich glaube, Cremé trägt die Braut.", erinnert er sie. Mit Schwung wirft sie sich die weiche, luftige Stola über die Schultern. Der traumhafte Stoff macht sie zu einer Dame, die sich mit femininer Kleidung nun auch so verhält: Eleganz und ehrvolles Auftreten erheben sich zu neuen Attributen in ihrem sehr europäischen Typ.

 

Andre hält seine überaus zuvorkommende, britische und höflichen Art, die ihr schon in Österreich aufgefallen ist, immer bei und hebt sich damit von den vielen anderen burschikosen, kumpelhaften und lässigen Jungunternehmern ab. Er bringt sie in einen Beautysalon, stellt sie vor, gibt Anweisungen, die Lilly nicht versteht - das Auto und Chauffeur bleiben hier, er fährt mit einem Taxi weiter zur Arbeit.

 

 

Sie bekommt ein sprudelndes Getränk mit Geist und in einer langwierigen Prozedur tupfen zwei Damen Farbe in schönen, symmetrischen Mustern auf ihre Hände. Der Chauffeur geht Runden um den Wagen. Lilly wartet. Nach einiger Zeit, heißt es, sie ist fertig. Die Reste soll sie einfach zu Hause abwaschen. "Henna, also.". Stück für Stück verzaubert Mumbai, wie in einem süßen Traum, Lilly in eine indische Prinzessin.

 

 

Die große Pracht bei dieser traditionellen Hochzeit überrascht sie abermals. "Das ist ein Märchen.", strahlt Lilly ihren Begleiter in noblen, schwarzen Anzug mit knallroter Krawatte und weißem Hemd, an, welcher ihr in eleganter Dominanz, an ihrer Seite den Arm anbietet, sie durch die unüberschaubare Masse an indischen Gratulanten führt. Es scheint, die halbe Stadt feiert mit. Alle stellen sich an und überreichen auf einer Bühne ihre guten Wünsche und ein Geldgeschenk und werden namentlich, dankend erwähnt. Im funkelnden Garten mit beleuchtetem Pool auf dem weiße und rosa, glitzernde Blüten schwimmen, gibt es mehrere "Nasch"-Zelte mit verschiedenen internationalen Stationen nach Ländern beschriftet.