NÄHMASCHINEN-EKLAT

 

 

Lilly sucht hier in Bombay, der Millionenmetropole, in dem 1,1 Milliarden Menschen-Staat Indien, ein bestimmtes Restaurant und selbst Andre, der seit Jahren den verschlungenen Wegen der City kundig ist, kommt an seine Grenzen. Ein etwa fünfjähriges Mädchen läuft ihnen bei ihren Irrwegen schon ein Weilchen nach und zupft irgendwann an Lillys Ärmel.

 

 

"Ja, komm. Ist jetzt auch schon egal.", fordert Lilly ihren Begleiter auf, dem schmutzigen, aber freundlichen Kind zu folgen und aus irgendeinem geheimnisvollen Grund, wusste die Kleine Bescheid, bleibt vor dem Eingangsportal des China-Restaurants stehen, bevor sie auf die Treppen steigt und Lilly mit ihren schwarzen, großen Augen lächelnd ansieht. "Gib ihr nichts, sie muss es sowieso nur irgendwem abgeben."

 

 

Lilly will ihr gerechterweise ein paar Scheine zustecken, als plötzlich ein aggressiver Türsteher mit einer Bambusgerte auf den Rücken des Mädchens schlägt, sie ausschimpft und wegjagt. "Er dachte, sie verstellt den Weg.", übersetzt Andre. Mit den Rupies, auf denen in 17 verschiedenen Sprachen der Wert aufgedruckt ist, in der Hand läuft Lilly noch um die Ecke, doch das geschäftstüchtige Kind ist weg.

 

 

"Da geh ich nicht mehr rein.", blockiert Lilly die Treppe, als der Typ nun lächelt und die Tür aufhält. Andre ruft seinen Partner an, der kommt mit seiner Begleiterin aus dem Restaurant, sie kehren mitsammen wo anders ein, wo sich dann nach dem ersten Schluck australischem Wein die Stimmung wieder hebt. Als Lilly sich zur Toilette entschuldigt, springt die andere Dame am Tisch auf, folgt ihr bis in den Sanitärraum. Lilly schließt die Tür, wundert sich über so viel Intimität, aber nachdem diese Frau ihr Geschäft verrichtet, bleibt ihr auch nichts anderes übrig.

 

 

Die beiden Herren tupfen sich die Schweißperlen von der Stirn, während sie sich angeregt und schnell unterhalten. Obwohl beide das schärfste Gericht vor sich am Teller haben, würzen sie immer noch nach.

 

 

Sie lachen, erzählen, wie sie ihren ersten, großen Nähmaschinen-Einkauf tätigten, als der Lieferant seinen klapprigen LKW in der runden Einfahrt vor der Tür parkte, sich den Lieferschein unterschreiben lies und wieder abgefahren ist - jedoch ohne die 50 Nähmaschinen abzuladen. Der Kommentar der Polizei war: "Sie verdienen das wieder.".

 

 

Sie finden sich bald in einer schicken  Diskothek wieder, wo sie Geschwistern und Schwägerinnen vorgestellt wird.  Sie tanzt wild und da sie ein Russe anquatscht wirft sie ihr Glas über die Schulter an die Wand. "Macht man doch so bei euch, oder?". Andre bezahlt eine Lokalrunde, um die Gemüter zu besänftigen: B52 für alle. Sie hebt den Trinkhalm, es tropft heißes Plastik auf ihren Handrücken, vor Schreck lässt sie das Glas fallen und die brennende Flüssigkeit spritzt auf den Burberry-Pollunder vom Typ nebenan. Sein Rücken brennt. "Uuii!". Lilly klopft die Flammen aus, bevor er sich umdreht. Andre klopft ihm nochmal herzlich auf die Schulter, während sie sich verabschieden.