TAJ-MAHAL-PALACE

 

 

Am Wochenende fahren sie zu einer Ferien-Club-Anlage an den Strand nähe Mumbai. Eigentlich sollte es ein schönes, entspannendes Erlebnis werden mit viel Wellness und ayurvedischen Massagen, doch nach einer halben Stunde Autofahrt durch Müllmeere aus Plastik, Speiseresten, Gummireifen und sonstigem Dreck,  auf dem sich Erwachsene und Kinder barfuß und mit schmalen Holzstecken in der Hand, nach etwas Brauch- oder Essbarem suchen, wird Lilly komisch im Bauch und übel.

 

 

Es gibt Feuerstellen, wo lebendige Ratten aufgespießt. Andre versucht, sie mit englischen Magazinen abzulenken von der miesen Szenerie wie aus Star Wars auf einem Eisen-Gerümpel-Haufen. Zu alledem dringt durch die Lüftung im Fahrzeug bestialischer Gestank, der sich an den Nasen-Schleimhäuten festsetzt. Lilly guckt nach vorne, doch egal wie weit sie fokussiert - nur weite Ebenen aus Müllhalden.

 

 

"Da kommen die nie wieder weg.", bedauert sie das Elend dieser Menschen, die auf diesem kilometerlangen Waste ihr Dasein fristen. Die Männer sind mit ausgefransten, knielangen Hosen bekleidet, Kinder nackt, einer trägt eine Decke über den Schultern.

 

 

Es meldet sich das Heimweh! Zum Glück erreichen sie die Club-Anlage. Alles ist wieder schön, lange vorher durch saubere, bewässerte Grünflächen angekündigt, einem parkähnlichen Vorgarten mit hohen Mauern darum, halbmondförmiger Zufahrt, einem weiß gekleideten Concierge, Klimaanlage und Springbrunnen.

 

Es hilft aber kein Plantschen im flach gefüllten, blauen Schwimmbecken mit Mosaikmustern, keine Ölmassagen, sie will an den Strand - da werden aber von Einheimischen kleine Fische ausgelegt und aufgehängt zum Trocknen. Andre bespricht sich mit dem Inhaber beim Abendessen, der stellt einen Mini-Helikopter zur Verfügung, der sie im Dunkeln wegbringt. Morgens wacht sie, wieder zurück in Mumbai, Colaba auf - in einem märchenhaften Zimmer des Taj Mahal Palace, kommt sich vor, wie ein indischer Bollywood-Star oder eine indische Prinzessin und das war, bevor sie die Aussicht bemerkt hat.

 

 

Von ihrem Fenster aus sieht sie auf das britische Gate of India und genau an diesen fantastischen Platz mit dieser atemberaubenden Aussicht, wird das Frühstück unter einer Silberhaube serviert. "Wir können nicht immer hier bleiben.", erinnert er sie daran, dass dies ein Hotel ist und nicht ein eigener Palast. "Schön wär es aber.". Sie steht im Foyer vor dem Abbild von Tatas, dem Erbauer dieses Prunkbaues, der überhaupt erst entstanden ist, weil ihn die Briten schon als etablierten, indischen Industriellen nicht in ihre Räume ließen.

 

 

"Sein Nachfolger ist der reichste Mann der Welt, wird aber nicht aufgelistet, weil die verschieden Unternehmen so breit gefächert und gegliedert sind - hab ich gelesen.", referiert Lilly stolz. "Kann sein. Sein Bild hängt überall.". Von außen sieht das Gebäude noch mal imposanter aus. Lilly kann sich kaum losreißen von der überragenden Machtpräsentation Tatas: "Das ist Indien!"