VORFREUDE AUF DIE SCHULFERIEN

 

 

Lilly räumt sich einige Kleidungsstücke ihrer Mutter in den Kleiderschrank, der Rest kommt in verschlossenen Säcken auf den Dachboden, der durch eine Art Luke erreicht werden kann, die gleichzeitig eine ausziehbare und wackelige Leiter ist. "So, und jetzt?"

 

 

Gelegentlich ruft sie an und fragt, ob alles in Ordnung ist, worauf Lilly nie so recht weiß, was sie sagen soll, denn wenn sie ihre Schwester ansieht, die ohne ihre gewohnte Umgebung und Mutter ihre Schulzeit beginnt, ist sie ratlos und sie hasst es "Kleine Mutter" genannt zu werden - denn es gibt wirklich selbst genug zu tun, im Kümmern um sich selbst und die Balance zu halten zwischen Schule, Freundschaften, Vaterbesuchszeiten und Großeltern, die nun inoffiziell Pflegeeltern sind.

 

 

Alleine schon die Vorstellung bei ihrem Vater bei Tisch zu sitzen, an einer der köstlichen Rindsrouladen, die seine Forever-Freundin zaubert und einem Glas Römerquelle und dann auf die Frage: "Wie gehts deiner Mutter?" mit "Sie ist ans Meer gezogen." zu antworten, wird schon wieder ein Test aller anwesenden Nervenstränge und sie freut sich jetzt schon auf den Moment, wo dies erledigt ist und es weiter geht mit dem Formel-1-Start, der für Ablenkung und Routine-Gute-Laune sorgt.

 

 

Trotzdem ist sie gespannt aufs Reisen und was denn dort so anziehend sein soll, dass man gleich dableiben will. Es gibt Zugtickets und schon bald kommt der Ferientag, an dem sie wie immer ihr Einser-Zeugnis abholt und es zuhause vorzeigt, bisschen monetäre Belohnung von Oma, Opa und Vater in Empfang nimmt, diese in das kleine exotische Mäppchen steckt und den Schulzettel dann in der Mappe in der Schreibtisch-Schublade zu den anderen legt. "Das Leben ist schön."

 

Ein bisschen macht sie sich noch Gedanken, ob die Sitzordnung so bleibt, wie im vergangenen Jahr und nachdem das mit der Freundin fixiert ist, gibt es für die nächsten Wochen Verabschiedung, bis zum ersten Schulaufsatz nach den Ferien.  "Was anziehen?"

 

 

Sie packt in einen Retro-Koffer, der im `Fundgrube´-Keller verstaut war, bisschen Sommergarderobe, ein Badetuch, ein Duschtuch, den Kulturbeutel und sitzt bald im Zug nach Jugoslawien, über das sie gar nicht so wenig weiß, da es sowohl im Geographie-Unterricht mit den sieben Nachbarländern Österreich, Italien, Ungarn, Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Albanien und seinen sechs Teilrepubliken Bosnien, Kroatien, Slowenien, Herzegowina, Montenegro und Mazedonien, sowie den Provinzen Kosovo und Vojvodina abgefragt, als natürlich auch in Geschichte ausführlich mit dem Vorfall in Sarajevo behandelt wurde.

 

Durch die Hauptstadt Belgrad kommt sie nicht, sondern durch Ljubiljana, dann weiter bis Rijeka. Zagreb, dass sie in Erzählungen ihrer Oma immer wieder heraushört, wird sie auch nicht sehen. Wage traut sie sich an den Namen Tito erinnern, für den sie einmal vor der Reinigungsfrau einen Fußtritt abgefangen hat und sie dabei gelernt hat, es ist sicherer, eigene Meinung bei sich zu behalten.