in der ewigen stadt

 

Obwohl die beiden Mädchen sehr anhänglich sind - alle sind sich einig: Lilly soll sich zuerst einleben und die erste Woche Rom besichtigen. Es gibt direkt vorm Haus eine Haltestelle für den Bus in das Zentrum, wo all die Sehenswürdigkeiten zu finden sind, über die sie im Geschichts-Unterricht gehört hat. Sie hat immer ihren Reiseführer-Sprachwortschatz mit und kommt überall hin, wo sie hinwill.

 

 

Zuerst zum Kolosseum - logisch, dann durchs Forum Romanum - logisch, dann zur Spanischen Treppe - logisch, dann muss sie Strümpfe besorgen, weil ihre an einem der Felsbrocken, aus denen diese römischen Ruinen gebaut sind, hängengeblieben ist, sich die Laufmasche, leider an der Außenseite des Knies nach oben und unten ausdehnt.

 

 

In den engen, aber luxuriösen Gassen - es fehlt nur noch ein roter Teppich auf den Pflastersteinen - in der verwinkelten Altstadt gibt es nur teure Designer-Artikel und sie zieht die Nylons einfach aus und schlüpft barfuß in die Ballerinas. Abends zeigt ihr die Großmutter, die eine Etage über der Wohnung der Citonis wohnt, den Supermarkt in nächster Nähe, wo sie täglich die frischen Brötchen besorgt und Dinge für den Alltag zu erstehen sind.

 

 

Lilly ist noch alles fremd und unverständlich. Sie merkt zwar, dass mit der Verkäuferin im Brotladen über sie geredet wird, aber nicht was nun eigentlich. Sie lächelt, winkt fröhlich in ihre Richtung und wartet, bis die Nana fertig ist und sie wieder zurück spazieren. Lilly holt ab nun jeden Tag morgens die Brötchen, denn direkt vor der Kassa ist natürlich auch ein Zeitungs- und Magazinständer, der sie anlockt.

 

 

Die ersten großen Reste aus der Römerzeit hat sie besichtigt und erlebt, die Woche hat noch 5 Tage und sie erobert Rom für sich, lässt sich durch die Altstadt treiben, auf die Hügel ziehen, in Museen locken, trippelt die Spanische Treppe täglich auf und ab mit Gelati in der Hand, sitzt auf ihrer Jacke, wie es hier alle machen, saugt Wortfetzen und Phrasen auf, versucht sich als Fußgängerin im römischen Straßenverkehr zu behaupten, schreit zurück, wenn sie einer anschreit, achtet auf die Bobbys, die mitten im rasanten Verkehr stehen, pfeifen, mit den Armen fuchteln, beobachtet in Parks die Italienerinnen, wie sie miteinander reden, mit ihren Bambinis umgehen, ist beeindruckt vom offensiven, aber sympathischen Charme der Römer und fällt abends in ihr Bett da in den oberen Stockwerken des rostroten Hochhauses in Monte Sacro.

 

 

Die Familie lässt sie die Tage ungestört ihre Runden durch die Stadt ziehen und dies hat sich bewährt, denn je mehr sie gesehen hat, um so ruhiger wird sie, beginnt sich Wege einzuprägen und die Straßenkarte in ihr Gehirn einzulesen.

 

 

Die Verkehrslinien sind nun geläufig und sie weiß von jedem geläufigen Punkt der Stadt, wie sie wieder nach Hause kommt und findet es aufregend, dass sich nun ihr Lebensmittelpunkt so weit im Süden zwischen jahrtausendealtem Mauerwerk abspielt und würde sie sich von oben sehen, es würde ihr gefallen, wo sie sich aufhält.