kein sonntag ohne kirche

 

 

 

Der Gipfel jedes Wochenendes ist der Tag des Herren, der Sonntag, an dem es bei Lilly zuhause immer Schnitzel mit Reis und Preiselbeermarmelade, Zwiebelrostbraten mit Kartoffeln, Rindsroulade mit Rotkraut oder Schweinebraten mit Semmelknödel gibt, weswegen ihr wahrscheinlich schon so früh der Magen knurrt. Der letzte Snack an vor Positano liegt lange zurück.

 

 

Ihr Kopf liegt mit sonnengeküssten Wangen und Nasenspitze auf dem blumigen Kopfpolster und die Geräuschkulisse durch die schmalen, offenen Balkontüren wird lauter. Es scheint, als strömen Familiengruppen zusammen, laut schnatternd angestrengt und langsam die Straße rauf, um sich wo zu versammeln. "Ach, genau. 10 Uhr - Kirche.". Sie schiebt ihr gebräuntes Handgelenk unter der warmen Bettdecke und der bunten Häkeldecke, die darüber liegt hervor bis in Augenhöhe. "8 Uhr."

 

 

Er kommt aus dem Bad und hat sich schick gemacht mit Sakko, dunkler Hose, Lederschuhen. "Da hab ich jetzt nichts passendes anzuziehen.". Sie schüttelt den Kopf. Er reicht ihr aus seinem Schrank einen schwarzen Langarm-Pullover aus feinem Strick und der würde zu ihrem Rock und den Ballerinas passen. "Na gut."

 

Dass sie jetzt Sonntag mit ihrer Bekanntschaft zur Messe geht, hätte sie auch nicht gedacht, jedoch ist ihr schon beim Weg vom Castell am Hügel bis zur Festung auf der Insel aufgefallen, wie viele, verschiedene Kirchen, Klöster, Kapellen und natürlich den Dom gibt.

 

 

Und da stehen jetzt auch die Eltern, Schwester und kleiner Bruder vor der Tür, warten. In dem Moment kommt ihr das alles ein bisschen wie in einem Film aus den Fünfzigern mit Sophia Loren und so sieht sie auch aus: gebräunt, braunes glänzendes, schulterlanges Haar, schwarze Kleidung, aber der Rock etwas zu kurz für die Sakristei. Als sie sich zusammen so auf den Weg machen und sie auf ebenen Straßen gehen, rasen hupende Vespas an ihnen vorbei, als wären sie am Zieleinlauf.

 

 

Als sie da so auf der Holzbank sitzt, findet sie diese katholischen Szenen fast interessanter, weil originaler als zuhause in Österreich. Jedenfalls spaziert die ganze Familie im Anschluss an den Segen zum Markt und da gibt es frischeste Meeresfrüchte und knackiges Gemüse und Früchte. Lilly freut sich, als sie sieht, dass auch richtig eingekauft wird und der Vater und ihr Gastgeber einige Tüten bis nach Hause in die Küche tragen, die sie zum ersten Mal sieht, genauso wie den großen Esstisch, der ein ganzes Zimmer mit großen, schmalen Balkontüren auf die Straßenseite dominiert.

 

 

Sie befreit sich von dem Strickpullover, der auf ihrem Sonnenbrand an den Schultern kratzt und schlüpft in ihr helles T-Shirt, hört gerne die Stimme der Mutter, die eindeutig zum Essen ruft, da es schon im ganzen Haus nach gekochtem riecht. Lilly ist egal, was gesprochen wird - das Mittagessen mit viel Fisch und Muscheln, gedämpftem Gemüse und knackfrischem Salat mit viel Olivenöl und mediterranen Gewürzen schmeckt köstlich und füllt den leeren Magen. "Was für ein Wochenende".